Psychiatrische Institutsambulanzen (PIAs) sind ein zentrales Ergebnis der Psychiatrie-Enquète von 1975. Sie sollen insbesondere schwer und chronisch psychisch kranken Menschen die Möglichkeit bieten, ausreichende multiprofessionelle Komplexbehandlung im ambulanten Rahmen zu finden. In der Publikation der Psychiatrie-Enquète (1975, S. 213) betonte die Sachverständigen-Kommission, dass "...die geforderten ambulanten Dienste ... nicht etabliert werden, um den niedergelassenen Ärzten Konkurrenz zu machen, sondern das Gesamtsystem um einen wesentlichen Bestandteil... zu ergänzen."
Heute sind PIAs als tragende Säulen einer integrierten ambulant-(teil-)stationären Vernetzung aus der psychiatrisch-psychotherapeutischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. "Institutsambulanzen sind vom Gesetzgeber als unverzichtbarer Bestandteil gemeindeintegrierter psychiatrischer Versorgung anerkannt worden." (Empfehlungen der Expertenkommission der Bundesregierung, November 1988, Stellungnahme der Bundesregierung November 1990, S. 11f).
Mittlerweile ist die Arbeit der PIAs im SGB V geregelt, und zwar für die Fachkrankenhäuser (§118,1) und die psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern (§118,2). Seit der Ermächtigung der Abteilungen im Jahre 2001 konnten PIAs in allen Bundesländern endlich flächendeckend eingerichtet werden. Dabei ist in den letzten Jahren eine Zunahme der Behandlungsfälle zu verzeichnen. Nach Informationen aus dem Psychiatriebericht 2007 (AG Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden) gab es Ende 2005 in 434 psychiatrischen Fachabteilungen und Fachkrankenhäuser 418 PIAs, die schätzungsweise 500.000 Fälle (Quartalsscheine) pro Jahr abrechnen. Eine PIA ist durchschnittlich für 180.000 Einwohner zuständig.
Das Leistungsspektrum der PIAs hat sich sowohl im diagnostischen als auch im therapeutischen Sektor im vergangenen Jahrzehnt sehr differenziert und umfasst vielerorts Komplexbehandlungsangebote für Patienten unterschiedlicher Diagnosegruppen. Neben Psychosen und schweren affektiven Erkrankungen werden multimorbide alte Menschen, wo auch immer sie leben, bedarfsgerecht von PIAs aufgesucht. Menschen mit komplizierten Abhängigkeitserkrankungen, mit komplexen Traumafolgestörungen, belastenden Persönlichkeitsstörungen und anderen chronischen psychischen Beeinträchtigungen finden in den PIAs ebenfalls abgestimmte ambulante Behandlungssettings, die gegebenenfalls auch eine rasche Klinikaufnahme möglich machen.
Durch gesundheitspolitische Entwicklungen, die zu strukturellen Problemen in der fachärztlichen Versorgung geführt haben, ist die Rolle der PIAs schwieriger geworden:
Zwischen fachärztlich mancherorts unterstellter Konkurrenz einerseits und dem Ersuchen um subsidiäre Behandlungsübernahmen in nervenärztlich schlecht versorgten Regionen andererseits, bei zunehmenden Auseinandersetzungen über Kostenübernahmen und Behandlungsindikationen mit Leistungsträgern und regional divergierenden Vergütungsmodellen, die keine Planungssicherheit gestatten, und schließlich mit dem zunehmenden Ärztemangel auch an psychiatrischen Kliniken fällt es immer schwerer, kontinuierliche Leistungen im Sinne des Gesetzgebers und im Geiste der Psychiatrie-Enquète sicher zu stellen.